vendredi 29 janvier 2010

Der Markt von Kabali in Kachetien: Regionale Integration durch das Pferd?

Veröffentlicht in Caucaz.com am 26/01/2010

Von Nicolas LANDRU in Kabali/Ninigori
übersetzt von Astrid HAGER



© Nicolas Landru, Der Pferdemarkt von Kabali

Der Viehmarkt von Kabali in Kachetien, an der südöstlichen Grenze Georgiens und einige Kilometer von der Grenzelinie zu Aserbaidschan entfernt, erscheint wie die Wiederkehr einer anderen Epoche. Dieser Markt ist der größte seiner Art in Georgien, im Herzen einer Region, in der sich Völker und Kulturen überlappen. Hier treffen sich Weidewirtschaft und Sesshaftigkeit und lassen Einblicke in den beispielhaften Tropismus von Dutzenden von Lokalwirtschaften im Transkaukasus zu.

Die Region von Kabali, der Bezirk Lagodechi, ist eine Übergangsregion. Im Norden und Westen das tiefe Kachetien mit seinem Weinbau und seinen georgischen Traditionen. Im Süden das Kachetien der Steppen und Hirten, das sich nach Aserbaidschan hin öffnet, und jenseits davon dem Kaspischen Meer und Zentralasien.

Das bewohnte Gebiet zieht sich wie eine Linie zwischen der lückenlosen steinernen Steilmauer des Großen Kaukasus (auf deren anderer Seite sich Dagestan in Russland erstreckt) und dem Alasani-Tal hindurch, jenem Schwemmgebiet am Fluss Alasani, das aufgrund der hohen Überschwemmungsgefahr traditionell nur dünn besiedelt ist und heute hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt wird.

Das Dorf Kabali wird überwiegend von Aseris bewohnt und ist einer der ältesten Orte in der Region. Der Bezirk Lagodechi setzt sich zusammen aus einem sehr feingliedrigen ethnischen Gefüge. Zum einen die georgischen Dörfer, die die Mehrheit ausmachen, genauer gesagt, Imeretier aus Westgeorgien, die in den 1930er Jahren hier angesiedelt wurden, um diese damals nahezu menschenleere Gegend zu bevölkern; daneben aserische Dörfer; sowie ossetische Dörfer, die allerdings aufgrund der rasanten Emigration nach Nordossetien immer leerer werden; und schließlich die ethnischen Gruppen der Dagestaner (Lesgier, Awaren). Selbst einige Dörfer der Udis finden sich hier, einer christlichen Volksgruppe, die nahezu verschwunden ist und nur noch eine kleine Minderheit in Aserbaidschan bildet. Von ihnen wird behauptet, sie stammen von den alten kaukasischen Albanern ab.

Weidewirtschaft

Es gibt eine Bevölkerungsgruppe, die das gesamte Jahr hindurch vom Norden in den Süden Kachetiens als Nomaden umherzieht und auf diese Weise die Region sozusagen zusammenhält: die Tuschen, ein Hirtenvolk aus den Bergen von Tuschetien ganz im Nordosten des Landes, wo sich die Sommerweiden ihres Viehs befinden. Im Herbst treiben sie ihr Vieh das gesamte Alasani-Tal herunter, um ihre Winterweiden, die Steppen von Schiraki an der aserischen Grenze zu erreichen. Auch zahlreiche Aseris aus dem Süden Kachetiens sind Hirten und ziehen saisonbedingt in den Süden der Region, wobei sie häufig die Grenze zu ihrem „Stammland“ Aserbaidschan überschreiten.

Letztlich taucht die Spur des Nomadentums nach wie vor in der Region auf und verschmilzt mit den Traditionen der Sesshaftigkeit und des Weinbaus der Georgier. Zur Sowjetzeit waren die Nomadenvölker halb sesshaft und oft dazu eingeteilt, sich um das Vieh der Kolchosen zu kümmern. Die ursprünglichen „nomadischen“ Kulturen erlebten jedoch rasch nach dem Zusammenbruch der UdSSR eine starke Renaissance und aufgrund fehlender Infrastrukturen eroberte sich das Pferd seinen einst so wichtigen Platz als Verkehrsmittel in der lokalen Kultur zurück.

Wie Rinder oder Wasserbüffel werden Pferde für den Transport, aber vor allem auch als Reittier für die Bewachung der Schafherden genutzt, die wegen Ihrer Wolle und Ihres Fleisches gehalten werden. Diese kleinen Araberpferde erinnern daran, dass noch vor 200 Jahren nomadische Turkvölker aus den Steppen Zentralasiens (die zusammen mit anderen ethnischen Gruppen zu einem Bestanteil der aserischen Minderheit wurden) in diese Region gekommen waren, um sich dort anzusiedeln.

Knotenpunkt einer Subsistenzwirtschaft

Der Viehmarkt von Kabali, eines der wichtigsten Zentren für den Handel mit Pferden, Rindern oder Schafen, befindet sich zwischen zwei Dörfern und erscheint als eine riesige, ebene Fläche ohne genauer definierbare Infrastruktur, die sich entlang des Schwemmlandes des Flusses Kabali ausbreitet. Schnell verschlammt, sobald es regnet, gleicht er in erster Linie einem weitläufigen, verschwommen Platz, auf dem man jeden Sonntag versuchen kann, sein Vieh zu verkaufen.

Die Fahrzeuge (zumeist Ladas und Pferdewagen) sind mehr oder weniger an den Seiten geparkt, auf dem Platz selbst präsentieren die Männer ihr Vieh, verhandeln den Preis eines Pferdes zwischen 300 und 2000 Lari, je nach „Qualität“ des Tieres, seines Alters, seiner Größe und seiner Stärke. Rennen und Probefahrten mit Karren oder Pferden finden zwischen den Auslagen statt, um in Anbetracht langer Wartezeiten für Zeitvertreib zu sorgen, was aber manchmal auch zu Panik in der Menschenmenge führen kann.

Das gesamte Zubehör wie Sattel und Steigbügel, Karren oder Geschirr ist Handarbeit, gefertigt aus Holz, Leder oder Schafsfell. Während der Pferdemarkt nahezu ausschließlich Männer ansammelt, so ist der Markt für Haushaltswaren, Lebensmittel, Kleidung und andere Produkte, der notdürftig in Hallen auf der anderen Seite untergebracht ist, den Frauen und Familien vorbehalten. Dieser Markt, wie man ihn in dieser oder in ähnlicher Form überall im Kaukasus finden kann, ist gleichwohl der bedeutendste im Süden Kachetiens.

Ein Faktor der regionalen Integration?

Ebenso wie das religiöse Festival Alaverdoba, das im Norden Kachetiens, um die orthodoxe Kathedrale von Alaverdi herum veranstaltet wird und traditionell allen Konfessionen offen steht, ist auch der Markt von Kabali ein Treffpunkt für die Dörfer und ethnischen Gruppen dieser Region. In dieser ländlichen Gegend, in der die Landwirtschaft und in geringerem Maße auch die Weidewirtschaft nach wie vor wichtige Elemente der privaten Wirtschaft sind, stellt er einen wichtigen Punkt des regionalen Gleichgewichts dar, zu dem man von weit her anreist, um daran teilhaben zu können.

Kachetien zählt zu den Regionen in Georgien, die am meisten multiethnisch geprägt sind, gleichwohl gilt sie auch als eine der stabilsten Regionen des Landes mit den geringsten ethno-politischen Spannungen. Auch wenn dieses Phänomen an eine Vielzahl von Faktoren geknüpft ist, wie z.B. die Organisation der lokalen Führung, die Machtstrukturen, die Geschichte, geostrategische Überlegungen, so ist doch zweifelsohne augenscheinlich, dass sämtliche Gruppen dieser Region, von denen keine isoliert lebt und die alle Georgisch als gemeinsame Verkehrssprache benutzen, in einem besonderen sozio-ökonomischen System vereint leben, das sich genau auf dieses Zusammentreffen von Weinbau, Weidewirtschaft, Nomadentum und Sesshaftigkeit stützt.

„14 Völker leben in Lagodechi“, beschwört Batscho, der aufgrund seines Berufes von Haus zu Haus durch die gesamten Region zieht, in einem Trinkspruch. „Jeder braucht jeden und alle leben als gute Nachbarn in Frieden zusammen.“

Weit ab von Tbilissi und dem neuen Georgien ist der Markt von Kabali ein Überbleibsel jener Tage, in denen die Zeit nicht so schnell verging. Er ist ein Relikt, das die Sowjetunion nicht begraben hat und das – im Gegenteil – Georgien sobald nicht beerdigen wird. Die jüngsten sozio-ökonomischen Transformationen in Georgien betreffen nur die wenigen Bereiche, die die Bevölkerung der Hauptstadt berühren. Sie haben aber kaum Auswirkungen auf die „Ökosysteme“ der Provinz. In Ermangelung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Revolution, die fähig wäre, eine nach wie vor tief im Landleben und in der Weidewirtschaft verankerte Gesellschaft komplett neu zu strukturieren, werden Märkte wie der von Kabali noch einige Sonntage Mikroregionen des Kaukasus beleben.

Siehe auch die Fotogalerie von Caucaz.com: Der Kabali-Viehmarkt

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