Veröffentlicht in caucaz.com am 26/02/2009
Die Region von Achalgori, oder Leningor, wie sie von den Osseten ihrem sowjetischen Namen nach genannt wird, stellte einst den einzigen Teil des ehemaligen Südossetischen Autonomen Territoriums dar, der vom Konflikt der frühen 1990er Jahre zwischen Georgiern und Osseten geschont geblieben war. Sie blieb unter unbestrittener georgischer Kontrolle. Nach dem Krieg im August 2008 und der Niederlage der georgischen Armee brachten sie südossetische Milizen unter ihre Kontrolle. Sie zwangen die georgischen Polizeikräfte, sich zurückzuziehen und einen großen Teil der georgischen Bevölkerung zur Flucht.
Der Bezirk von Achalgori liegt an den vorgelagerten Erhebungen des Grossen Kaukasus im hohen Tal des Ksani-Flusses, der abwärts vor Mzcheta in die Kura mündet. Er ist physisch durch eine Bergkette vom restlichen Südossetien getrennt und leicht aus Mzcheta durch eine Strasse zu erreichen. Daneben war er schon vor dem Konflikt von 1990/91 mehrheitlich von „ethnischen“ Georgiern bewohnt.
. Auch Osseten wohnten dort, hauptsächlich in den Dörfern oberhalb der Stadt Achalgori. Zwar behauptet das südossetiche Regime von Tschinwali, dass Osseten vor allem während der Amtszeit des Präsidenten Swiad Gamsachurdia 1991 beraubt und zum Auswandern gezwungen wurden. Jedoch scheint es eher so, dass die beiden Communities weiterhin relativ harmonisch zusammengelebt haben.
1990-2008 : eine Region abseits des separatistischen Konfliktes
Isoliert von der südossetischen Hauptstadt Tschinwali und ihren politischen Wallungen hat also der südossetische Bezirk von Achalgori keine bewaffneten Auseinandersetzungen erfahren. Er blieb unter der Kontrolle der georgischen Regierung und wurde der administrativen Region Mtscheta-Mtianeti eingemeindet. Damit bereitete ihm die Regierung ein anderes Schicksal als jenen Zonen des Südossetischen Autonomen Territoriums, die bis August 2008 unter georgischer Kontrolle blieben und der administrativen Region von Gori in Schida Kartli zugeteilt wurden. Achalgori jedoch sollte sich von seiner Vergangenheit innerhalb des Autonomen Territoriums trennen und in den neu gegründeten Staat Georgien integrieren.
Die 1990er und 2000er Jahre stellten sich für den Bezirk als eher förderlich heraus, denn er blieb von den zahlreichen Auseinendersetzungen zwischen georgischen Kräften und südossetischen Milizen verschont. Die Lomissi Brauerei, eine der drei größten in Georgien, schuf Arbeitsplätze für eine bedeutende Anzahl der vormals 6000 Einwohner der Stadt Achalgori. Der Rest des Bezirkes, ländlich und von Bergen geprägt, lebte wie die meisten Regionen Georgiens von der einfachen Landwirtschaft.
Die georgische Regierung ließ in den Jahren 2007/2008 sogar die Strasse zwischen Mzcheta und Achalgori reparieren und bewirkte damit die weitere Integration des Bezirkes in die Infrastrukturen des Landes. Achalgori besitzt eine wichtige touristische Sehenswürdigkeit: die mittelalterliche Burg der Ksani-Prinzen, welche vom 10. bis zum 12. Jahrhundert zu den mächtigsten georgischen Prinzen zählten, und bis ins 19. Jahrhundert von Bedeutung blieben. Gleichfalls ein Geschichts- und Kunstmuseum, war die Burg gerade im Begriff, ein beliebtes Ausflugsziel der Einwohner von Tbilissi zu werden, zum Beispiel auch für Schulklassen.
Der August-2008-Krieg : der Preis des Gegenangriffs
Der Angriff der georgischen Truppen auf Tschinwali und auf die südossetischen Regionen, die unter separatistischer Kontrolle geblieben waren, sowie der Blitz-Gegenangriff Russlands brachten jedoch im August 2008 diese relative Ruhe zu einem Ende. Diese Region, die ohne schlimme Wunden durch die dunkelsten Stunden der zeitgenössischen Geschichte Georgiens gegangen war, erlitt nun frontal das Debakel der georgischen Armee.
Nach dem russischen Sieg in Südossetien und in Schida Kartli sind südossetische Milizen « über die Berge » gekommen, durch einen Pass, der Tschinwali und Achalgori verbindet, aber nur mit Vierradantrieb bewältigt werden kann. Sie vertrieben die georgischen Polizeieinheiten, die in Achalgori stationiert waren. Die georgische Armee, die sowieso ihre Positionen in Zentralgeorgien verlassen hatte, um sich in das um Tbilissi herum gelegene Gebiet zurückzuziehen, war in diesem Bezirk nicht stationiert. Ein paar Kilometer südlich von Achalgori befindet sich jetzt ein Checkpoint, der die Kontrolle des Bezirkes durch Südossetien, und seinen Verlust für Georgien, bestätigt.
Tbilissi beschuldigt die russische Armee, den südossetischen Milizen bei der Eroberung von Achalgori geholfen zu haben und an ethnischen Säuberungen beteiligt gewesen zu sein. Laut Georgien würden sich dort noch russische Armeeeinheiten aufhalten. Im Oktober bestätigte die OSZE den Rückzug der russischen Truppen aus den georgischen Regionen um Südossetien, bedauerte aber ihren Verbleib in Achalgori.
Ist Achalgori für Georgien endgültig verloren?
Die georgische Seite behauptet, Russland hätte vor, Achalgori in das übrige Abspaltungsgebiet von Südossetien einzugliedern. Der erklärte Plan, eine Strasse zwischen Tschinwali und Achalgori zu bauen, der nur mit dem technischen Beistand von russischer Seite zu verwirklichen ist, stellt die erste Beschuldigung von Tbilissi gegen Moskau dar.
Ein militärisch besiegtes Georgien hat tatsächlich geringe Chancen, den Bezirk zurückzuerhalten, es sei denn, dass dieser sich zu einem Entschädigungsgegenstand bei Verhandlungen zwischen den Protagonisten wandeln würde. Die Region von Achalgori stellt kein besonderes Interesse dar, weder strategisch noch wirtschaftlich, denn das Ksani-Tal endet in einer natürlichen Sackgasse. Die Abspaltungsrepublik kann sich im Bezirk weder auf Institutionen noch auf Infrastrukturen verlassen, dazu lebt dort nur ein geringer Bevölkerungsanteil an Osseten. Insofern wäre es vorstellbar, dass die ossetisch-russische Seite Achalgori als Tauschobjekt und weniger als territoriales Ziel an sich benutzen könnte, sollten Verhandlungen stattfinden, die für Georgien einigermaßen vorteilhaft wären.
Weit entfernt von dieser Annahme ist die ossetisch-russische Kontrolle über Achalgori streng implementiert. Am 27. November 2008 versuchte der georgische Präsident Michail Saakaschwili seinen Gast, den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, trotz der Existenz des Checkpoints nach Achalgori zu bringen. Indes endete diese seltsame Aktion in einer Kehrtwendung. Die georgische Seite behauptet, man hätte auf den Wagen des Präsidenten geschossen; die südossetische Regierung dagegen verwehrt sich gegen diese Beschuldigung. Der polnische Präsident wurde in seinem Land mit einem Skandal konfrontiert, da er sich ohne angemessene Sicherheitsmassnahmen in einem ungeplanten Unternehmen das den Regeln eines Präsidentenbesuchs wenig entsprach, in Gefahr begeben hatte.
Abgesehen von dieser unklaren Affäre hat Tbilissi mehrmals von Moskau gefordert, den Achalgori-Bezirk zu verlassen. Nun kann die georgische Regierung in Anbetracht der ossetisch-russischen Übernahme der Region kaum etwas anders tun, als ohne Handhabe Aufforderungen auszusprechen, und zu versuchen, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft zu wecken.
Die gefährdete Bevölkerung
Ein Großteil der « ethnischen » georgischen Einwohner von Achalgori wurde durch die ossetischen Milizen vertrieben oder ist später im August geflohen, um in Tbilissi oder in anderen Flüchtlingslagern für Georgier, die nach dem Krieg von Südossetien umgesiedelt wurden, Zuflucht zu finden.
Ende November berichtete die Organisation für Menschenrechte, Human Rights Watch, von Übergriffen der ossetischen Milizen auf « ethnische » Georgier in Achalgori. Raub, Plünderung, Gewaltakte: die Bevölkerung scheint bewaffneten Banden ausgeliefert zu sein. Die Untersuchung liefert auch Zahlen mit denen die Anzahl der geflüchteten Personen eingeschätzt werden kann: In einer Schule der Stadt, die ursprünglich einmal 236 Schüler hatte, sind nur noch 136 geblieben. Human Rights Watch hat Russland dazu aufgerufen, als Besatzungsmacht gegen diese Übergriffe vorzugehen.
Seitdem die südossetischen Milizen die Kontrolle übernommen haben, ist es abgesehen von ein paar Recherchen durch Menschenrechtsorganisationen noch sehr schwierig zu bestätigen, was genau in Achalgori geschehen ist und weiterhin geschieht. Klar ist allerdings, dass eine deutliche Abwanderung der georgischen Bevölkerung stattgefunden hat, und dass ein beträchtlicher Teil der Betriebsamkeit der Stadt unterbrochen wurde. „Leningor“ liegt wieder in Südossetien, ohne dass die neuen Herren der Region klare Pläne für den Bezirk und die Stadt geäußert haben.
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